Armin Mehling - Maler, Zeichner und Aquarellist

Einflüsse auf die Malerei Armin Mehlings

- Militärdienst als Jagdflieger
- Kunstgeschichte
- Philosophie
- Musik
- Pharmazie

Informel
Kennzeichnend sind die Betonung von Emotion und Spontanität, welche wichtiger sind als Perfektion, Vernunft und Reglementierung, Diese prägten auch den Stil von Kandinskys frühen Improvisationen maßgeblich, die Mehling beeinflussten.

Lyrische Abstraktion
So nennt man spontane Improvisationen direkt künstlerisch umgesetzter Empfindungen, die als eine der ersten konsequenten Umsetzungen der Lehren Kandiskys gelten.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Hegel begreift alles Faktische als ein Geistiges, das nur durch Begreifen des Besonderen erlebt werden kann. Dadurch wird die Notwendigkeit sichtbar, die der eigenen Selbstentfaltung zugrunde liegt und zeigt sich als Begegnung der Welt in Gelassenheit - eine Haltung, die Mehling gleichfalls anstrebte.

Arnold Schönberg
Seine Harmonielehre und Zwölftonmusik gelten als persönliche Lösung eines persönlichen Konflikts. Damit verbunden ist die Verabschiedung von den Systemen und die Hinwendung zur freien Atonalität und dem Entwerfen eigener Material- und Regelkataloge als inneres Gefüge einer jeden Komposition, was Mehling z.B. in den Serien umsetzte.

Pharmazie
Als Pharmazeut beschäftigt sich Mehling mit Aspekten der Naturwissenschaften, der Biologie und Chemie, insbesondere mit deren Methoden: der Analyse und Synthese, der Lehre der Struktur, der Stoffe, ihrer Wirkung, ihren Eigenschaften, der Herstellung, der Darreichungsform etc. - und übersetzt sie in “Bilder”.

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Zur Malerei Armin Mehlings

Die Malerei Armin Mehlings, wie sie von 1964, der ersten Einzel-Ausstellung, bis zu den zahlreichen Ausstellungen der achtziger Jahre bekannt wurde, fällt auch in die Zelt der Entwicklung einer neuen theoretischen Konzeption der Kunst und der Erklärung ihrer essentiellen ästhetischen Realität. Mein besonderes Interesse an dieser seiner Malerei beruht nun vor allem darauf - sieht man von ihrer künstlerischen Anziehung ab -, daß sie der wissenschaftlichen Betrachtung der Kunst gewisse ausgezeichnete Modelle bzw. Beispiele zur Erörterung und Erklärung originaler, auffallender Phänomene und damit zur Festigung der modernen Ästhetik liefert.

Natürlich ist auch Kunst ein Gegenstand unserer Erfahrung, genau wie Physik. Wir nehmen anfänglich "ästhetische Zustände« (z B. als Zustände des Gefallens, der Schönheit etc.) genauso wahr wie "physikalische Zustände« (z. B. Bewegung oder Erwärmung). Es ist aber auch zweifellos so, daß uns physikalische Wahrnehmungen viel gewohnheitsmäßiger und eindeutiger zugängig sind als ästhetische Wahrnehmungen. Deshalb war es im Prinzip stets einfacher, physikalische Beobachtungen bzw Erscheinungen in einer Theorie zusammenzufassen, als künstlerische Kreationen in einer mehr oder weniger einheitlichen sowohl materialen wie intelligiblen Wirklichkeit, d h. als ästhetische Realität, zu verstehen. Aber sofern nun das Kunstobjekt und seine ästhetische Wahrnehmbarkeit sowohl für den Künstler wie auch für den Betrachter eine Erfahrungstatsache ist, sind mit dieser Wahrnehmungsfähigkeit auch Modelle bzw. Beispiele gegeben.

Kehren wir nun zu den Bildern unseres Malers zurück, so erkennen wir eine Originalität, die zunächst in einer ebenso konsequenten wie großzügigen Elementarisierung dessen, was wir hier Bild nennen dürfen, besteht mit dieser Elementarisierung. In Farb- und Formgebung sind aber nur ganz selten Konfiguratlons- und Musterbildungen oder Strukturverläufe gegeben. Ich möchte diese Tatsache durch die Bemerkung ausdrücken, daß diese Malerei stets eng mit ihrem materialen Repertoire, kurz gesagt, mit der Palette, verbunden bleibt. Es handelt sich gewissermaßen um repertoirielle Malerei, falls man bereit ist den Begriff Repertoire weit genug zu fassen.

Man erkennt damit sogleich eine weitere Eigenschaft, die wie das repertoirielle Moment ein charakteristisches Merkmal der »ästhetischen Realität« künstlerischer Objekte ist, nämlich die evidente Unwahrscheinlichkeit oder Zufälligkeit der Farbzüge, der linearen oder flächigen Formen, kurz die unbestreitbare Freiheit, in der das künstlerische Bild generierenden Koordination der repräsentierenden Elemente durch ihre Selektion aus dem ursprünglichen Repertoire. Alle diese ersten, aus dem ursprünglichen und selektierten Repertoire stammenden Farbflecken und Form-Spuren mit ihren fast axonischen Verknüpfungsfasern machen ein Elementen- und Partikelsystem rätselvoller Unbestimmtheit liquider Veränderlichkeit und isolierter Originalität aus, die das fundierende Wesen der »ästhetischen" Realität anzeigt.

Aber dieses "immer auch anders denkbare« (wie es Nietzsche einmal formulierte) ästhetische System eines Kunstwerks repräsentiert natürlich, eingeschlossen in das technische Trägersystem seiner körperlichen Erscheinung, auch einen gewissen Objektbezug, ein bekanntes oder unbekanntes, ein gesehenes oder gedachtes, ein anschauliches oder nichtanschauliches, ein namentliches oder namenloses, gegenständliches oder ungegen- ständllches, abstraktes oder konkretes, intelligibles oder materiales Stück der Objektwelt als die zweite Kreation oder Organisation des künstlerischen Prozesses der vielfältigen Pinselschwünge, Tupfen oder Zeichnungsreste oder schrittähnlichen Figurationen.

Alles ist voneinander verschieden Es ist keine platonische Welt der Einheit, eher eine demokritische Welt totaler Verschiedenheit der Elemente, niemals gleiche Umrisse der Farben und Formen, niemals gleiche Größen, Durchkreuzungen in verschiedenen Winkeln und die Krümmungen in der zerbrochenen oder geschlossenen Linienführung nie das gleiche Krümmungsmaß.

Alles in und auf der Fläche, die offenbar keine Tiefe, keine Illusion des Raumes mehr zuläßt nur die projektive Geometrie des Blicks oder besser des An-Blicks, der auch die Ebbe und die Flut der differierenden Intensität dieser hochvariablen Objektwelt des Gezeichneten und Gemalten wahrnimmt.

Ausbreitung der Welt, gewiß. Aber keine Vermittlung im Sinne einer Abbildung, dennoch eine Vergegenwärtigung im System des Unwahrscheinlichen ihrer »ästhetischen Realität«, nicht ihrer »physikalischen Realität Denn nichts ist haptisch berührbar, nur optisch zugängig.

Nun tritt aber in dieser repertoiriell und mit Leere durchsetzten letztlich gegenstandslosen Objektwelt, wie sie uns der Maler präsentiert, noch etwas letztes, zusammenfassendes Drittes in Erscheinung: eine unabgeschlossene, ergänzbare, immer wieder zerstörungsanfällige oder schon zerbrochene gestaltlose Gesamtheit, die Idee des reinen Diskontinuums als Idee der kreativ koordinierten "ästhetischen Realität". Sie allein ist der tiefste und letzte interne Interpretant solcher, wie „Monstren" aus „Mengen" gebildeten, gestaltlosen oder gestaltvollen Gesamtheiten, die wir als Kunstwerke im Sinne "ästhetischer Realitäten« verstehen.

Diese drei Bestimmungen, die ich hier unter der numerischen Bezeichnung des „Ersten", des „Zweiten" und des „Dritten" aus den malerischen Schöpfungen abgehoben habe, sind offensichtlich dreistellige Beziehungen zwischen drei verschiedenen fundamentalen Charakteristiken des Wirklichen, des Materials, des Objekts und des verstehenden Geistes. Diese dreistelligen Relationen nennen wir heute "Zeichen" und sprechen infolgedessen von der Zeichenwelt der »ästhetischen Realität« der Kunst und ich glaube, meine Aufgabe bestand hier darin, die ästhetische Zeichenwelt Armin Mehlings wie ein universales Zeichen-Modell darzulegen.

20.4.1985

Prof. Dr. M. Bense, Suzette

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